Absage der Jugendfreizeit in Griechenland
Für alle, die die Freizeit nicht kennen kurz ein paar Eckdaten. Bis vor wenigen Jahren bestand die Jugendfreizeit aus zwei Gruppen (1. Ferienhälfte und 2. Ferienhälfte) von ca. 180 bis 250 Jugendlichen, die 3 Wochen Camping-Urlaub zusammen verbrachten. Das Ganze wird seit nunmehr ca. 30 Jahren maßgeblich von Pfarrer Thumm veranstaltet, also bereits seit seiner Zeit in Neuss. Damals hieß das Ziel noch Sizilien, bis vor etwa 15 Jahren der Umzug nach Griechenland erfolgte. In den letzten Jahren wurde die Freizeit aus unterschiedlichen Gründen ein wenig zurückgefahren. Gemessen an alternativen Kirchenfreizeiten der Region ist die Jugendfreizeit mit einem Volumen von 60 bis 120 Jugendlichen aber immernoch riesig. Der Grund für den Rückgang der Teilnehmerzahl ist meines Erachtens weniger mangelndes Interesse der Jugendlichen. Insbesondere angesichts der aktuellen Situation kommen für mich neben gesundheitlichen Problemen durchaus auch gemeindeinterne Gegenströmungen in Betracht, womit ich mich aber in den Bereich der Spekulation begebe – das wissen die Beteiligten besser.
Nun wurde bereits mehrfach gegen die „immensen Reisekosten“ der Jugendfreizeit gewettert und alternative Reiseziele wie Ostsee, Alpen, Österreich, Plattensee, etc. vorgeschlagen. Jugendfreizeiten dieser Art gibt es immer wieder. Meistens werden sie mit geschätzten 20 Teilnehmern und ein paar Betreuern via Minibus in Selbstversorgung unternommen und dauern in der Regel etwa zwei Wochen. Wenn ich mich ungeachtet der Kosten in der Sache entscheiden müßte, würde ich drei Wochen in Griechenland, mit Gelegenheit zum Surfen, Katamaran fahren, Mountain-Biken, Lesen, Basteln, etc. vorziehen und zwar umso mehr, je dünner mein Schlafsack ist und umso weniger ich Regen schätze. Freilich – eine Schönwetter-Garantie gibt es in Griechenland nicht. So gab es durchaus auch schon eine katastrophenähnliche Freizeit mit Regen satt. Wer die Nachrichten verfolgt hat, weis aber auch, daß bspw. noch im letzten Jahr eine Jugendgruppe wegen Schlechtwetters von einem Camping-Platz evakuiert werden mußte – wohlgemerkt in Deutschland. Nichtsdestoweniger sind die Chancen auf Sonnenbrand in Griechenland leider(?) deutlich höher als in unseren Breitengraden und ich persönlich habe in den letzten 15 Jahren auf dem Campingplatz zu meinem Bedauern noch nie Wasser im Flußlauf gesehen, dafür aber reichlich unvergleichliche Sonnenuntergänge. Aber zurück zum Thema:
Die Freizeit ist meines Erachtens nicht deshalb seit 30 Jahren erfolgreich, weil sie die billigste ist, sondern weil sie gut ist, mit Leidenschaft durchgeführt wird und der Preis durchaus angemessen und sogar konkurrenzfähig ist. Dazu möchte ich das Augenmerk auf einige wesentliche Punkte lenken, bevor ich mir den Vorwurf gefallen lasse sozial ungerecht sein zu sollen.
Punkt 1: Die Reisedauer.
Wie bereits mehrfach erwähnt erstreckt sich die Freizeit über drei Wochen. Der entscheidende Grund dafür ist nicht die Länge der Ferien, die Verfügbarkeit von Flügen oder sonstige organisatorische Nebensächlichkeiten, sondern ein ganz anderer. Er liegt in der Eigenart der Jugendlichen sich in einer Gruppe von „Fremden“ zurechtfinden zu müssen. Manche sind von Beginn an eher unbefangen, andere brauchen aber eine Weile, um ihren Platz zu finden. In der Regel kann man sagen, daß erst nach ca. 7 – 10 Tagen soetwas wie ein Gruppengefühl entsteht. Natürlich finden sich schon früher kleinere Grüppchen zusammen, aber eben kein großes Ganzes, eine Art zu Hause, in dem sie sich öffnen können; Grundvorraussetzung, wenn man den Jugendlichen etwas mehr mitgeben möchte, als den Surfschein und einige GB unvergesslicher Bilder aus dem Sommerurlaub.
Punkt 2: Das Reiseziel
…ist eigentlich gar nicht der ORT der Freizeit – sondern es sind wie gerade erwähnt die Jugendlichen. Dieses Ziel erreichen zu wollen ist ein sehr komplexes Vorhaben. Das Angebot muß die Jugendlichen ansprechen, da sie sonst gar nicht erst auf die Idee kommen mit der Kirche in Ferien zu fahren, wo es doch Rufreisen, Rainbow-Tours und sonstigen Pauschalurlaub gibt, ohne Nachtruhe, ohne Gottesdienst, ohne Einschränkungen und ohne Sinn. Hier dürfte sicherlich auch das Problem von vielen „Mit-dem-Minibus-nach-Deutschland“ Freizeiten liegen, die ähnlich wie die letztjährige Hennefer Freizeit bedauerlicherweise manchmal kurzfristig abgesagt werden müssen. „Bedauerlicherweise“ deshalb, weil auch diese Freizeiten gefördert und erhalten werden sollten und keinesfalls als Konkurrenz, sondern vielmehr als sinnvolle Ergänzung zu verstehen sind. Zum einen gibt es Gott sei Dank nicht nur meer- und sonnenhungrige Jugendliche, zum anderen ist das höhere Ziel dasselbe und damit letztlich egal WER den entsprechenden Jugendlichen erreicht, oder WO das gelingt. Die Freizeit ist jedenfalls, so wie sie ist, seit nunmehr 30 Jahren auf Camping-Urlaub in warmen Gefilden ausgerichtet und eingerichtet. Das Material an einem konträren Ort einzusetzen macht keinen Sinn oder keinen Spaß. Zudem steht es ja jedem frei eine anders geartete Freizeit zu organisieren und anzubieten. Wenn sie nur näherungsweise so erfolgreich funktioniert, wie die Griechenlandfreizeit unter Pfarrer Thumm sind Glückwünsche durchaus angebracht.
Punkt 3: Die Kosten.
Früher wurde Bus gefahren, heute wird geflogen. Der Komfort ist gestiegen, dafür leidet das Erlebnis, doch man bekommt zwei Tage mehr am Meer. Die Reisekosten änderten sich mit dem Transportmittel nur unwesentlich, dazu müßte sich das Ziel ändern und selbst ein dreiwöchiger Urlaub auf einem näher an (oder in) Deutschland gelegenen Campingplatz wird in der Summe kaum ein anderes Ergebnis liefern, da die Aufenthaltskosten den Vorteil der Reisekosten schnell aufwiegen. Es bliebe die Reisedauer zu verkürzen, womit wir wieder bei Punkt 1 wären und der Frage warum sich gerade auch Kirchenfreizeiten über zwei Wochen an nahegelegenen Urlaubszielen so schwer tun Teilnehmer zu finden, obwohl sie absolut gesehen preislich günstiger sind.
Punkt 4: Die Leistung.
Die rein finanziellen Leistungen, die die Freizeit erbringt umfassen An- und Abreise, die Nutzung des Materials vor Ort und damit verbundene Reparatur- und Ersatzteilkosten, diverse Ausflüge sowie „Vollpension“ in Form von drei Malzeiten am Tag, die von dem ansässigen Restaurant für die Gruppe geliefert werden. Eine Feldküche für 200 Mann wäre in Eigenleistung kaum zu bewältigen und unter den klimatischen Bedingungen eine ziemliche Zumutung. Abgesehen davon wäre der finanzielle Vorteil kaum spürbar (was natürlich auch am Reiseland liegt) und die seitens der Betreuer „eingesparte Energie“ kann für andere Aktivitäten eingesetzt werden. Damit sind wir bei weiteren finanzwertigen Leistungen (oder wie das heißt). Die Freizeit wäre natürlich noch viel teurer, wenn die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht wären, die nicht nur vor Ort ein ansehliches Tagesprogramm auf die Beine stellen, sondern auch im Vorfeld ordentlich anpacken müssen, nicht zuletzt, wenn es darum geht das Zeltlager aufzubauen. Letztlich müssen aber natürlich auch deren Reise- und Unterbringungskosten aus den Teilnehmerbeiträgen finanziert oder zumindest bezuschusst werden. Dieser Zuschuss steht jedoch wie jedem klar sein dürfte in keinem Verhältnis zu drei Wochen Jahresurlaub von bspw. einem studierten Arzt, Journalisten, Archäologen, Pädagogen, Sozialarbeiter, Krankenbruder (oder -schwester) oder gar einem technischen Direktor und spottet selbst den handelsüblichen Entlohnungen für die Nebentätigkeiten eines Schülers oder Studenten. Was hier gefragt ist, ist neben Spaß an der Sache reiner Idealismus und ein dickes Band langjähriger Freundschaften.
Punkt 5: Die Zuschüsse.
Zuschüsse gibt es in unterschiedlichem Maße aus öffentlicher Hand, also von den Gemeinden. Diese hatten in den vergangenen Jahren immer weniger Geld und folglich sind auch die Zuschüsse weniger geworden. In Relation zu den Gesamtkosten sind die gewährten Zuschüsse in der Regel jedoch marginal. Erwähnenswerte Ausnahme ist das Sozialprogramm der Stadt Bonn, die weniger zahlungskräftigen Teilnehmern oftmals mehrere Hundert Euro zufinanziert. Die Evangelische Kirchengemeinde in Eitorf hat wie Pfarrer Thumm verlauten ließ ebenso in Einzelfällen Teilnehmerbeiträge für sozial schwache Familien bezuschußt, weitere Gelder seien allerdings nicht in die Freizeit geflossen. Zusätzlich werden von je her auch Spendengelder dazu verwendet, um Jugendlichen aus weniger wohlhabendem Elternhaus die Teilnahme an der Ferienfreizeit zu ermöglichen. Mitunter erfolgen Spenden an die Freizeit sogar nicht nach Gutdünken, sondern genau an diesen Zweck gebunden. Auf diese Weise wurde noch im vergangenen Jahr mehreren Jugendlichen die Teilnahme ermöglicht. Interessant und beschämend zugleich scheint mir der Umstand, daß auch solche Personen, die dies aus eigener Erfahrung nur zu gut wissen, lauthals gegen die hohen Kosten wettern, ohne auch nur ein Wort über die Möglichkeiten der Unterstützung zu verlieren. Ich will mich vorerst nicht auf die meines Erachtens zu persönlich geführte Art der Diskussion einlassen und möchte daher keine Namen nennen, halte aber eine Entschuldigung für angebracht – wenn der Mut dazu ausreicht auch gerne in einem ebenso öffentlichen Rahmen wie die Vorwürfe erfolgten.
Punkt 6: Spenden.
In 30 Jahren Jugendfreizeit finden sich nicht nur Feinde und Kritiker, sondern auch Freunde und Förderer, die die Maßnahme tatkräftig und teilweise regelmäßig mit Spenden unterstützen. Ohne diese Spenden wäre die Freizeit wohl auch nicht durchführbar, insofern ein großes DANKE an alle edlen Spender. Im Gegenzug wäre die Freizeit ohne Kritiker sicher leichter durchführbar, aber nicht unbedingt besser. Somit auch DANKE für jede konstruktive Kritik. Das aktuell vorhandene Material wurde jedenfalls aus eben jenen Spenden und den Teilnehmerbeiträgen (also aus der Freizeit an sich) über Jahre hinweg finanziert. Bereits in Sizilien war es möglich ein Segelboot und ein Motorboot anzuschaffen, das in Griechenland irgendwann verkauft wurde, vermutlich nicht zuletzt um den besagten Katamaran zu finanzieren. Nebenbei bemerkt gibt es auch noch mehrere Surfbretter, Fahrräder, Gesellschaftsspiele, Tischtennisplatten, diverse Ballspiele, Malereibedarf und vieles mehr wie z.B. eine Cat Stevens CD :o) und etliche Zelte. Konstruktive Vorschläge für alternative Reisekonzepte, Anschaffungen oder Fragen zur Jugendfreizeit können sicherlich jederzeit gerne mit Pfarrer Thumm erörtert werden. Ob HIER der passende Rahmen dafür ist, sei einmal dahin gestellt.
Punkt 7: Pfarrer Rolf Thumm,
ein Mann der Öffentlichkeit und großen Gesten – ein Pfarrer,der polarisiert. Nur wenige können ähnlich mitreißend reden wie er, geschweige denn vergleichbar lange – viele sollten es nicht. Überreden kann man ihn eigentlich nicht, nur überzeugen. Er kämpft voll Überzeugung und Leidenschaft für seine Sache. Im Prinzip betrifft das so ziemlich alle Bereiche und ohne diese Leidenschaft und Überzeugung wäre vieles von dem was er auf den Weg gebracht hat gar nicht möglich gewesen. Klar ist allerdings auch, daß er sich auf diese Weise nicht nur Freunde machen kann. Kontroverse Meinungen sollten nach Möglichkeit objektiv vertreten werden und kommen ohne überzeugende Argumente kaum zur Geltung. Insofern ist auch bei seinem etwaigen Konterpart ein ausgeprägtes Ego von Vorteil, aber Objektivität unbedingt erforderlich, um eine gute Zusammenarbeit gewährleisten zu können. Um jetzt kein unausgewogenes Bild zu zeichnen, müßte ich wohl einen weiteren Artikel schreiben; worauf ich jedenfalls hinauswill ist der Umstand, daß das Ziel aller Bemühungen von Pfarrer Thumm stets ein möglichst gutes Resultat ist und so sehr sich Kritiker an seiner Methodik oder Art reiben mögen – in der Sache hat er (soweit meine Erfahrung ein Urteil zuläßt) oftmals Recht.
Ich könnte noch eine ganze Weile so weiterschreiben, aber das ist kaum jemandem zuzumuten – insofern nur noch ein kurzes
Schlußwort:
Die Entscheidung die Jugendfreizeit zu streichen, begründet sich nach meiner bisherigen Wahrnehmung auf bürokratische Fragen. Ein alternatives Konzept gibt es nicht oder ist mir bisher verborgen geblieben, ebenso wie die Person, die die Organisation in die Hand nähme. Kurzum wurde scheinbar in einem Anflug von Aktionismus eine Maßnahme weg-irrationalisiert, obwohl oder gerade weil sie Pfarrer Thumm so am Herzen liegt. 30 Jahre Jugendfreizeit kann man durchaus als Lebenswerk bezeichnen. Für mich als Außenstehenden scheinen persönliche Gründe die aktuelle Situation zu dominieren und ein wirkliches Argument ist kaum erkennbar. Was mich jedenfalls stört ist der Umstand, daß der scheinbar einzige Weg, der bei der ganzen Diskussion gefunden wurde, die Absage der Freizeit ist. Die eigentlichen Verlierer sind in meinen Augen dabei die Jugendlichen. Gott sei Dank haben die davon allerdings keine Ahnung, wenn sie diesen Sommer mit lustigen bunten Strohhalmen um den Kopf und einem schicken roten Eimerchen zwischen den Füßen zu gehaltvoller Musik in Palma den Strand rocken.
Herzlichen Glückwunsch!
gez. Ingo Taubensee
PS: Ich sollte noch erwähnen, daß alles hier Geschriebene selbstverständlich auf meinen persönlichen Eindrücken beruht und einer Menge angesammelten Halbwissens. Genauere und weiterführende Auskünfte zu allen Fragen rund um die Jugendfreizeit in Griechenland kann niemand anders besser geben als der zur Zeit heftigst umstrittene Pfarrer Rolf Thumm. Ebenso wie alle weiteren Beteiligten erreichbar in und unter:
Evangelische Kirchengemeinde Eitorf
Bahnhofstraße 17
53783 Eitorf
Mo-Fr 10:00 – 12:00 Uhr
Tel: 02243 – 6179
sowie nach Vereinbarung
hi ingo,
gerade zu punkt 1 ist noch umbedingt zu erwähnen, dass die zeit im ferienlager nun auch lebenslange freundschaften hervorbringt.
ich beispielsweise war 2 mal als mitfahrer und 2 mal als betreuer mit und habe bis heute immer noch kontakt zu mitfahrern aus allen 4 ferien.
hoffentlich wird ds oder ein ähnliches projekt fortgesetzt!
viele grüße,
jonathan