Konfirmanden in Eitorf
Eine Email von Prof. Dr. Uwe Jaekel an Präses Schneider vom 24.03.2010
Sehr geehrter Herr Präses Schneider,
dies ist ein wirklich verzweifelter Versuch, Ihnen klarzumachen, dass Ihre Landeskirche gerade im Begriff ist, eine ihrer Kirchengemeinden zu zerstören.
Ich bin mir sicher, dass dies ohne Vorsatz und allein aus Unkenntnis der Zustände in der Gemeinde geschieht. Allerdings schlagen hier einige Würdenträger in blindem Hass aufeinander ein, ohne sich bewusst zu machen, dass sie auch viele andere Menschen treffen. Ich bin fassungslos, dass die Beteiligten es einfach ungerührt hinnehmen, dass Hunderte von Menschen die evangelische Kirche in Eitorf nicht mehr betreten wollen, dass viele (ich bin einer von ihnen) wegen dieses würdelosen Streits über den Austritt aus der Kirche nachdenken oder sich in entfernte Gegenden umgemeinden lassen.
Konkret geht es um die Beurlaubung von Pfarrer Thumm, dem nicht mehr erlaubt werden soll, unsere Kinder zu konfirmieren. Bitte versetzen Sie sich doch einmal in die Lage meines Sohnes, der seinen Pfarrer schätzt und erfährt, dass dieser ihn nun nicht mehr unterrichten und konfirmieren darf. Gründe werden ihm nicht genannt. Die Eltern der Konfirmanden fragen nach, und auf ausführliche und emotionale Briefe, Kommentare und Anfragen kommt von der Landeskirche ein dürrer Verweis auf datenschutzrechtliche Gründe, aus denen nichts gesagt werden kann. Sie können doch nicht im Ernst davon ausgehen, dass unsere Söhne und Töchter, denen wir christliche Werte vermitteln wollen, dann einfach mit gutem Gefühl in den Unterricht der erklärten Gegnerin ihres Pfarrers gehen? Wie erkläre ich meinem Sohn, dass ein Geheimprozess in einer Diktatur schlecht ist, während es in Ordnung ist, dass einem Pfarrer in unserer Gemeinde ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen de facto ein Berufsverbot erteilt wird?
Mir ist es wichtig, dass mein Sohn konfirmiert wird, aber er soll diese Entscheidung mit bestem Gewissen und Überzeugung treffen können.
Ein Kompromiss war bereits zum Greifen nahe, bei dem sich Pfarrer Thumm nach der Konfirmation aus der Arbeit in Eitorf zurückziehen würde. Dieser Kompromiss wurde von der Presbyteriumsvorsitzenden abgelehnt und Pfarrer Thumm sofort beurlaubt. Es scheint leider so zu sein, dass die Landeskirche ausschließlich über das Presbyterium Kontakt zur Gemeinde hält. Unglücklicherweise hat sich aber eben dieses Presbyterium von einem großen Teil der Gemeinde entfernt, nachdem zwei Presbyter zurückgetreten sind und ein weiterer verstorben ist. Die Reihen wurden ohne Neuwahlen durch Gemeindemitglieder aufgefüllt, die den verbleibenden Vertretern der einen Partei genehm waren. Ich selbst bin neutral, habe aber miterlebt, wie eine der Presbyterinnen, eine Lehrerin meiner Kinder, die ich als besonnenen Menschen kennengelernt habe, unter Tränen zurückgetreten ist, weil die Fronten im Presbyterium sich so verhärtet hatten, dass einfach kein Dialog mehr möglich war. Selbst wenn alles formal korrekt gelaufen ist — dieses Presbyterium repräsentiert ganz sicher nur einen Teil der Gemeinde. Bitte ziehen Sie zumindest die Möglichkeit in Betracht, dass Ihnen von den Vertretern der Gemeinde nur ein sehr einseitiges Bild der Lage vermittelt wird.
Bitte machen Sie sich auch klar, dass Ihre Kirche durch den teilweise willkürlichen Umgang mit Pfarrer Thumm auch vielen Gemeindemitgliedern wirklich herbe Schläge versetzt. Die Eltern der Konfirmanden haben sich nach alternativen Möglichkeiten erkundigt, die Konfirmation in einer anderen Gemeinde durchzuführen. Auf Anfrage der Familie Borchert schrieb Frau Kirchenrechtsrätin Iris Döring:
Pfarrer Thumm ist beurlaubt und kann daher keinen Kirchlichen Unterricht und keine Konfirmationen in der Kirchengemeinde Eitorf durchführen. Da Pfarrer Thumm ordinierter Pfarrer ist, sind Tätigkeiten von Pfarrer Thumm in einer anderen Kirchengemeinde grundsätzlich möglich, setzen allerdings einen Presbyteriumsbeschluss des zuständigen Presbyteriums voraus.
Nun hat es einen solchen Presbyteriumsbeschluss zwar tatsächlich gegeben, aber vor einigen Tagen hat die gleiche Frau Döring Herrn Thumm geschrieben, dass ihm Tätigkeiten auch außerhalb der Gemeinde „ausdrücklich untersagt“ seien. Auch in unserer Kirche müssen doch intellektuelle und juristische Mindeststandards gelten, um solche Widersprüche nicht zuzulassen.
Ist Ihnen bewusst, wie Sie hier die Eltern treffen? Es ist schlimm genug, dass wir die Konfirmation unserer Kinder nicht in der Kirche der eigenen Gemeinde erleben sollen; einer Kirche übrigens, zu deren Wiederaufbau wir nach einem Brand mit Steuern und Spenden beigetragen haben. Nun ist vier Wochen vor dem seit langer Zeit geplanten Termin — zu dem viele bereits Verwandte eingeladen haben — und nach langer Vorbereitung nicht einmal klar, ob unsere Kinder jemals konfirmiert werden.
Die sofortige Beurlaubung von Pfarrer Thumm mag das Landeskirchenamt nach bestem Wissen und Gewissen entschieden haben. Aus meiner Sicht handelt es sich dennoch um eine katastrophale Fehlentscheidung. Wem würde es eigentlich schaden, wenn Herr Thumm noch die Konfirmation als letzten Amtsakt in Eitorf durchführen würde?
Über eine Antwort, die mehr als nur die kirchenrechtlichen Aspekte beleuchtet, würde ich mich freuen.
Bitte lassen Sie uns nicht im Regen stehen!
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Jaekel